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28. August 2018: Mit Rechten reden – aber wie?

Nachbetrachtung zum Podium mit AfD-Beteiligung beim Katholikentag

So lebendig, politisch, gelungen der Katholikentag in Münster insgesamt war – er hat auch gezeigt, was wir künftig anders machen müssen als bisher. Dazu gehört der Umgang mit dem Rechtspopulismus. Die umstrittene Einladung eines AfD-Abgeordneten zu einem religionspolitischen Podium hat sich als schlechter Kompromiss erwiesen, denn er hat als Ergebnis genau das gebracht, was unbedingt vermieden werden sollte: ein Schaukampf mit möglichst kontroversen Positionen und maximale Aufmerksamkeit für den AfD-Vertreter, der der Öffentlichkeit vor dieser Einladung ziemlich unbekannt gewesen sein dürfte.

Wir müssen klare Positionen beziehen zu unserem Menschen- und Gesellschaftsbild. Und zugleich müssen wir mit Rechten reden, und zwar auch im Blick auf den rechten Rand der katholischen Kirche. Beides gehört zusammen. Das ist aber vor allem eine große Lernaufgabe an uns selbst. Diese Aufgabe lässt sich nicht an die Vertreterinnen und Vertreter politischer Parteien delegieren, wie es beim Katholikentag geschehen ist.

Keine Entzauberung

Wie kam es überhaupt zu der Einladung? Die Katholikentagsleitung wollte vermeiden, dass die Alternative für Deutschland sich als ausgegrenztes Opfer inszenieren könnte – und zugleich der Tatsache Rechnung tragen, dass sie mittlerweile zu den gewählten Fraktionen im Deutschen Bundestag gehört. Das alles möglichst ohne rechten Positionen zu viel Aufmerksamkeit zu geben. Deshalb fand keine direkte Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten statt, aber der kirchenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Volker Münz, wurde zu einem Podium mit allen Fraktionen zur Religionspolitik geladen.

Wie auch immer man die einzelnen Beiträge des Podiums bewertet – und es gab durchaus kluge, klare und auch schlagfertige Beiträge: Die erhoffte Entzauberung der AfD hat dort jedenfalls nicht stattgefunden. Nahezu alle Medien bebilderten ihren Bericht über die Veranstaltung mit einer Aufnahme von einem finster blickenden Volker Münz vor der großen Leinwand mit dem Katholikentagsmotto. Der einsame Kämpfer im feindlichen Land. Das ist das Bild, das im Kopf bleibt.

Andere Ergebnisse waren bei diesem Format auch nicht zu erwarten: eine aufgeheizte Stimmung im Vorfeld, 1.000 Menschen im Publikum, die Bekenntnisse und Abgrenzung hören wollten, in der einen wie in der anderen Richtung. Dazu fünf PodiumsteilnehmerInnen und ein Moderator, die sich darin zu überbieten suchten, gegen den AfD-Vertreter zu punkten. Es war eher ein Wettkampf im Rechthaben als eine vertiefte Auseinandersetzung über die Haltungen und Positionen und die Gretchenfrage, ob diese Positionen sich eigentlich mit Christsein vereinbaren lassen oder nicht. Das schreibe ich bewusst als eine dieser fünf PodiumsteilnehmerInnen.

Wunsch nach Klarheit und Orientierungsfähigkeit

Gleichzeitig gehöre ich zu denjenigen, die eine öffentliche Auseinandersetzung mit Rechten und ihren Positionen richtig finden. Die Frage, ob wir mit Rechten reden müssen, stellt sich meines Erachtens gar nicht mehr. Es geht nur darum, wie wir das tun.

Die Abgrenzung gegen rechtes Gedankengut genügt nicht. Im Gegenteil, ein bloßes Abgrenzen, bloße moralische Empörung erleichtern sogar die rechte Strategie, die zwischen gezielter Provokation und der Selbstinszenierung als Opfer pendelt. Wir müssen unser eigenes Welt- und Menschenbild gegen rechte Ideologie setzen und mehr für unsere Überzeugungen streiten als gegen die der Rechten. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass sich ein hochrangiger Vertreter von Kirche oder ZdK selbst mit einem Rechtspopulisten auf ein Podium setzt und im 1:1-Gespräch diese Auseinandersetzung führt. Hinter diesem Wunsch steckt nicht die Sehnsucht nach möglichst schriller Diskussion. Vielmehr der Wunsch nach Klarheit und Orientierungsfähigkeit meiner Kirche – das lässt sich nicht delegieren an die religionspolitischen SprecherInnen der Fraktionen.

Kampfbegriffe

Das ZdK hat sich mehrfach und deutlich gegen rechtspopulistische Positionen gestellt. Sei es im Berliner Aufruf für Demokratie und eine offene Gesellschaft im Wahljahr 2017, den der Sachbereich 2 unter der Leitung meiner Vorgängerin Dagmar Mensink erarbeitet hat, sei es in Erklärungen von ZdK-Präsident Prof. Dr. Thomas Sternberg gegen Islamfeindlichkeit oder für den Schutz von Flüchtlingen. Die Frage ist, ob solche Positionierungen sich auch in der internen Auseinandersetzung bewähren. Denn die Welten sind ja nicht so klar getrennt, wie sich das viele wünschen mögen. Rechtes Gedankengut ist auch in der katholischen Kirche präsent, und es verfängt auch bei katholischen Wählerinnen und Wählern – wenn auch vergleichsweise seltener als in der Gesamtbevölkerung.

Es gibt einen tief verwurzelten Rechtskatholizismus, mit Traditionslinien bis in die Weimarer Republik, der nach wie vor wirkmächtig ist. Es handelt sich um eine „kleine, aber lautstarke rechtskatholische Szene, deren ideologische Urahnen schon halfen, die Weimarer Demokratie sturmreif zu schießen“, wie der katholische Publizist Andreas Püttmann schreibt.

Und es gibt Themen, die verfangen. Sie kreisen alle um eine vermeintlich heile christliche Ordnung der Dinge, die durch moderne, linke und liberale Ideologien bedroht werde. Die Kampfbegriffe lauten christliches Abendland, Islamisierung, Genderwahn, Frühsexualisierung und die Zerstörung der Familie. Auch Volker Münz hat auf dem Katholikentagspodium die meisten dieser Themen aufgerufen. Dazu kommt das Verächtlichmachen der sogenannten Eliten und Funktionärskasten. Zu diesen Eliten gehören für Rechte offenbar alle, die anderer Meinung sind – wie in diesem Fall die große Mehrheit der ZdK-Mitglieder.

Das Gespräch suchen

Im April 2015 hat der Katholische Deutsche Frauenbund eine Broschüre zu „Gender, Gendermainstreaming und Frauenverbandsarbeit“ veröffentlicht. Es war eine Reaktion auf den Flyer „Gender-Ideologie. Ein Leitfaden“ des päpstlichen Hilfswerkes Kirche in Not, der breit in Kirchengemeinden gestreut wurde und eine nicht nur aus Sicht von Frauen sehr polemische Debatte ausgelöst hat. Die Publikation des päpstlichen Hilfswerkes versteht sich als Beitrag zur Aufklärung, ist aber durchgängig im Tonfall einer Kampfschrift verfasst. Die umstrittene Genderforschung bzw. Genderpolitik wird darin als „Gender-Ideologie, auch Genderismus genannt“ bezeichnet. Ziel der sogenannten „Genderisten“ sei die Zerstörung der bisher gültigen familiären Ordnung, Beweis dafür: der „Kampf für die Vollzeitarbeit von Müttern zulasten eines geregelten Familienlebens“ und die angeblich angestrebte Aufhebung der Unterschiede zwischen Mann und Frau. – Als einzige Quelle wird in der Publikation ein Buch der Rechtskatholikin Gabriele Kuby angepriesen, für das auch die AfD auf ihren Websites und in ihrem Online-Shop eifrig wirbt.

Kirchliche Publikationen haben üblicherweise einen anderen Tonfall. Warum wird (ein Teil der) Kirche hier so polemisch? Warum ist das Genderthema überhaupt so geeignet, die Gemüter zu erregen? Vielleicht ja deshalb, weil es an Machtfragen in der Kirche rührt. Bekanntlich sind Frauen und Männer zumindest im Blick auf kirchliche Ämter nicht gleichberechtigt. Wer das gut und richtig findet, kann ein Hinterfragen von Geschlechterrollen und die Kritik an Ungerechtigkeiten, die sich durch das Geschlecht begründen, nicht gebrauchen.

Wir brauchen dringend das innerkatholische Gespräch über dieses und andere Themen, bei denen die Grenzen zwischen christlichen und nicht christlichen Haltungen zu verschwimmen drohen – ja, wo es sogar Katholiken gibt, die rechte Positionen für die eigentlich christlichen halten. Der ZdK-Sachbereich 2 „Politische und ethische Grundfragen“ hat sich vorgenommen, dieses Gespräch zu suchen.

Veröffentlicht in: Salzkörner (http://www.zdk.de/veroeffentlichungen/salzkoerner/) Bettina Jarasch ist Sprecherin des ZdK-Sachbereichs 2 „Politische und ethische Grundfragen“ beim ZdK.