Zum Inhalt springen

27. April 2020: „Ein Pod Grünes“: Mit Rechten streiten.

5. März 2020: Mit Helene und Holger habe ich im Podcast-Interview „Ein Pod Grünes“ über die aktuelle humanitäre Notlage an den EU-Außengrenzen, drängende Aufnahmeprogramme für Geflüchtete und die Frage wie Berlin jetzt konkret helfen kann gesprochen. Außerdem ging es um Strategien gegen rechte Ideologien und wie man mithilfe von demokratischem Streiten dem typisch rechten „Dagegen“ einen konstruktiven Gesellschaftsentwurf entgegen setzt.

Als Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus kann ich mein Herzensthema Integrationspolitik bearbeiten, das Thema, das mich Anfang der 90er Jahre zu den Grünen gebracht hat, als schon einmal Debatten à la „Das Boot ist voll“ geführt und grundlegende Verschärfungen des Asylrechts durchgesetzt wurden. Im Jahr 2020 haben sich die politischen Gegebenheiten zwar verändert, doch auch heute werden wieder tausende von Menschen an den europäischen Außengrenzen brutal abgewiesen und ihr individuelles Recht auf ein geordnetes Asylverfahren wird faktisch – mit Einverständnis der EU – außer Kraft gesetzt.

Für uns Grüne ist klar: die Lager in Griechenland müssen dringend evakuiert werden. Natürlich können wir nicht von Berlin aus die Welt retten und die fürchterliche Situation in griechischen Lagern alleine auflösen. Aber: Wir müssen als Bundesland unseren Beitrag leisten. Deshalb wollen wir ein Landesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Menschen auflegen. Es gibt genug Plätze in Berlin, aber dafür brauchen wir die Zustimmung des Bundesinnenministeriums. Im Bundesrat haben wir einen Gesetzesantrag angestoßen, der dafür sorgen würde, dass wir für Programme dieser Art nicht mehr die formale Zustimmung des Innenministers brauchen.

Berlin kann als Teil europäischer Städtenetzwerke wie Solidarity Cities Druck machen für eine solidarische Verteilung von Geflüchteten in Europa; wenn wir zeigen, dass es möglich ist, gibt es vielleicht andere Städte, Bundesländer und europäische Staaten, die folgen. Europas Wertefundament muss auch in Krisen halten, sonst ist es nichts wert.

Wichtig ist, und darin sehe ich auch unsere Aufgabe als Grüne, dass wir als Regierung handlungsfähig bleiben, dass die Aufnahme und Integration geordnet verläuft, auch damit die AfD nicht daraus Kapital schlägt, wenn wieder eine größere Gruppe Geflüchteter nach Deutschland käme.

In Pankow in meinem Wahlkreisbüro und vor Ort erlebe ich oft in Gesprächen, dass Menschen klassische AfD-Argumente reproduzieren, gleichzeitig aber sagen, dass sie nie Rechts wählen würden. Gerade in den Stadtrandlagen fühlen viele sich abgehängt von der urbanen Politik.

Ich finde: Wir müssen als Strategie gegen Rechts wieder offensiver werden. Natürlich müssen wir genau mit diesen Menschen reden, wir sollten mit ihnen streiten, ihnen etwas Konstruktives entgegensetzen. Und zwar, indem wir fragen: In welcher Gesellschaft wollt ihr eigentlich leben? Was wollt ihr?

Dabei muss man unterscheiden zwischen Funktionären und Wähler*innen. Bei meiner Arbeit im Parlament, bei Anträgen der AfD zum Beispiel, arbeite ich immer wieder das Weltbild hinter scheinbar harmlosen Anträgen heraus. So neulich beim Antrag zum Burkaverbot, der nur vermeintlich Frauenrechte stärken will, aber in Wahrheit die Frauenrechte für das islamfeindliche rechte Weltbild instrumentalisiert.

Wenn wir, im Streitgespräch nicht Hass mit Hass beantworten, sondern den anderen mit seiner Meinung als Mensch behandeln, dann wird der Widerspruch offenkundig: Wir als Grüne wollen diese Gesellschaft positiv gestalten, das ist vielleicht der fundamentalste Unterschied. Aber streiten müssen wir!

Podcast zum Reinhören.