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20. Juni 2018: Rede im Parlament zur Zukunft des Instituts für Islamische Theologie

Zu den Anträgen der CDU und der AfD zum Islamischen Institut habe ich am 31. Mai 2018 im Abgeordnetenhaus geredet.

Die Diskussion über das Islamische Institut an der Humbolt-Universität wird bisher fast ausschließlich über die Besetzung des Beirats geführt, die – der Ansicht sind auf wir Grüne – nicht repräsentativ für die Gesamtheit der Musliminnen und Muslime in Berlin ist. Dadurch wurde die Chance auf eine Neuausrichtung der Berliner Islampolitik im Zusammenhang mit der Institutsgründung vertan. Jedoch an dieser Stelle, wie es die AfD tut, eine Rückabwicklung zu fordern, ist schlicht absurd. Gerade die Startschwierigkeiten bei der Einrichtung einer islamischen Theologie an der HU zeigen, wie dringend wir ein solches Institut brauchen. Wir brauchen es deshalb, weil die Berliner Muslime ein Recht darauf haben, ihre eigene Religion kritisch zu diskutieren, akademisch zu durchdringen und die Ergebnisse dieser Forschung für diese Gesellschaft, in der sie leben, fruchtbar zu machen. Eine aktive, gestaltende Religionspolitik muss daher ein politisches Projekt sein, das man nicht einfach der Hochschule und auch nicht der Wissenschaftspolitik überhelfen kann.

Beide Anträge wurden im Parlament abgelehnt. Meine Rede vom 31. Mai 2018 finden Sie als Video hier, im Folgenden finden Sie die Rede im Wortlaut.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Die Diskussion über das islamische Institut an der HU ist vor allem ein Reflex auf die schrille Islamdebatte, die seit Monaten in Deutschland geführt wird. Der Sache wird sie bei weitem nicht gerecht. Die gesamte Frage der Sinnhaftigkeit dieses Instituts konzentriert sich bei den meisten Stichwortgebern bislang auf den Beirat und da wiederum fast ausschließlich auf die Frage, ob der Verband DITIB dabei ist oder nicht und liberale Verbände einen Sitz bekommen. Dabei wird völlig verkannt, dass die eigentliche theologische Auseinandersetzung nicht im Beirat stattfinden wird, sondern im Institut, unter Professoren, unter Lehrenden und Lernenden.

Über die Zusammensetzung des Beirats sind auch wir Grünen nicht glücklich, das habe ich mehrfach öffentlich deutlich gemacht. Die Konzentration auf die Verbände ist aus religionspolitischer Sicht falsch, denn das religiöse Leben findet in den Moscheegemeinden statt – von denen es in Berlin ein breites Spektrum gibt – und nicht in den Verbänden.

Die Chance auf eine Neuaufstellung der Berliner Islampolitik ist deshalb im Zusammenhang mit der Institutsgründung vertan worden. Eine solche Neuaufstellung ist aber ein politisches Projekt, das man nicht einfach der Hochschule und auch nicht der Wissenschaftspolitik überhelfen kann. Es ist eine Aufgabe für eine aktive, gestaltende Religionspolitik.

Auch die Fokussierung der Debatte auf die Beschäftigungsperspektiven der Absolventen als Imame und in Gemeinden greift zu kurz. Dabei wird nämlich entweder die Macht der Verbände völlig überschätzt, ihren heterogenen Mitgliedern Personalpolitik zu verordnen, oder aber übersehen, dass einige Verbände selbst ausbilden und dass türkische Diyanet-Imame schon allein deshalb nach Deutschland entsendet werden, weil das für sie einen Karrieresprung bedeutet. Darauf werden sie kaum zugunsten deutscher Absolventen verzichten.

Aber so fehlgeleitet manche Erwartungen sein mögen und so berechtigt die Enttäuschung über die vorerst endgültige Zusammensetzung des Beirats – das alles zeigt keineswegs, dass wir zurück auf Los müssten oder dass gar die Gründung des Islamischen Instituts an der HU selbst ein Fehler wäre, wie die AfD es nahelegt.

An dieser Stelle würde ich gerne – mit Erlaubnis des Präsidenten – aus dem Gutachten zitieren, das Sie in Ihrem Antrag anführen. Ich zitiere: „Weil der Beirat nicht Religionsgemeinschaft ist, sondern Ausübungsorgan für die Rechte von Religionsgemeinschaften, steht jedes Beiratsmodell unter dem Vorbehalt“, dass eine oder mehrere Religionsgemeinschaften ihre volle Rechtsstellung geltend machen und damit aus dem Modell aussteigen. … Das Beiratsmodell stellt damit eine pragmatische Lösung dar, die in der gegenwärtigen Lage nützlich sein mag, aber nicht dauerhaft Bestand haben muss. – Zitat Ende –

Besser, sehr geehrte Kollegen von der AfD, ließe sich nicht zusammenfassen, was der Beirat ist. Nicht selbst Religionsgemeinschaft, sondern ein Übergangskonstrukt, weil wir bislang noch zu wenig muslimische Gemeinschaften haben, die selbst als Religionsgemeinschaften anerkannt sind. Ich freue mich auf den Tag, an dem sich das ändert und dieser Beirat dadurch überflüssig wird, dass wir womöglich mehrere muslimische Religionsgemeinschaften in Berlin haben, die dann selbst ihre verfassungsmäßigen Rechte vertreten können.

Und jetzt zur Hauptsache! Das ganze Hin und Her und auch die Startschwierigkeiten bei der Einrichtung einer islamischen Theologie an HU zeigen gerade, wie dringend wir ein solches Institut brauchen, und nicht etwa, dass wir es rückabwickeln könnten.

Wir brauchen es deshalb, weil die Berliner Muslime ein Recht darauf haben, ihre eigene Religion kritisch zu diskutieren, akademisch zu durchdringen und die Ergebnisse dieser Forschung für diese Gesellschaft, in der sie leben, fruchtbar zu machen.

Weshalb eigentlich sind die Mitbestimmungsrechte der katholischen und der evangelischen Kirche kein Aufregerthema? – Weil wir uns darauf verlassen, dass sie aufgeklärt agieren, Wissenschaftsfreiheit respektieren und keinen Fundamentalismus an den Hochschulen betreiben. Und das ist so, weil die Auseinandersetzung mit anderen Perspektiven und säkularen Ansichten und die lange Tradition in einer kritisch-hermeneutischen Beschäftigung mit Texten an den Hochschulen fundamentalistische Tendenzen gezähmt und eine aufgeklärte Theologie gestärkt haben. Je lauter also die Stimme der islamischen Theologie an deutschen Unis wird, desto mehr werden wir auch als Gesellschaft insgesamt von einem aufgeklärten Islam profitieren, von einem Islam, der nicht nur zu Deutschland gehört, sondern der irgendwann selbstverständlich auch gehört wird, Herr Hansel, vielleicht sogar von Ihnen! Dieses Ziel ist die Geburtswehe der Institutsgründung allemal wert. – Vielen Dank!