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10. Oktober 2018: „Integration: Mitgestalten für alle“ - ein Tag unterwegs in Lichtenberg

Integration in Lichtenberg

Ein spannender Integrationstag in Lichtenberg geht zu Ende. Am Montag, den 8. Oktober 2018 war ich zusammen mit den Lichtenberger Grünen von Hohenschönhausen-Nord bis Karlshorst unterwegs. Unser Motto: „Integration: Mitgestalten für alle“

Im Vordergrund stand das Thema Unterbringung, vormittags haben wir das neu installierte Büro von „Berlin entwickelt neue Nachbarschaften“ (BENN) im Warnitzer Bogen besucht, mittags die Modulare Unterkunft für Geflüchtete in der Wartenburger Straße und am Abend fand im Stadtteilzentrum iKARUS eine gut besuchte Bürgerveranstaltung zum geplanten MUF-Standort Rheinpfalzallee in Karlshorst statt.

Berlin entwickelt neue Nachbarschaften (BENN)

Das von der Senatsverwaltung für Integration in vielen Bezirken etablierte Projekt BENN hat die Aufgabe, Bewohner*innen von Geflüchtetenunterkünften mit Nachbar*innen zusammenzubringen und eine bessere Einbindung und Beteiligung für nachbarschaftliches Engagement zu koordinieren. Hier, im BENN-Team Hohenschönhausen-Nord arbeiten engagierte junge Sozialarbeiter*innen, doch allein die Geografie macht die Integrationsarbeit schwer. BENN ist für 5 Flüchtlingsunterkünfte zuständig, die Wege sind lang, die Verkehrsanbindung und Infrastruktur nicht gut ausgebaut – außer Wohnen wurde hier in den Plattenbausiedlungen von Lichtenberg wenig geplant. Die Geflüchteten aus den Unterkünften kommen nicht gern allein die langen Wege zum BENN-Büro. Immerhin kommen immer mehr Anwohner*innen zum BENN-Büro im Warnitzer Bogen, auf der Suche nach Beratung und Begegnung. Auch das ist Integration.

Besuch der Modularen Unterkunft für Geflüchtete in der Wartenberger Straße

Die Modulare Unterkunft für Geflüchtete (MUF) in der Wartenberger Straße in Lichtenberg: Ein Modell der ersten Generation von MUFs, das 2016 beschlossen und 2017 eröffnet worden ist. Anbindung ans umgebende Quartier spielte bei diesen ersten Bauten keine große Rolle – und die meisten davon wurden zudem in sowieso schon strukturschwachen Gebieten außerhalb des S-Bahn-Rings gebaut, wie auch das MUF in der Wartenberger Straße. Damals mussten schnell viele Menschen untergebracht werden. Heute zeigt sich, dass sich die Integration besonders in den Gebieten, wo die Infrastruktur ohnehin schon nicht aureichend ist, schwierig ist.

Zusammen mit Daniela Ehlers aus der grünen BVV-Fraktion Lichtenberg, einer Vertreterin aus dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten und der Gebietskoordinatorin Hohenschönhausen aus dem Bezirksamt konnte ich darüber mit der Heimleitung sprechen. Das Gebäude – eine Art moderner Beton-Plattenbau – ist sauber und gepflegt, hinter den beiden Wohnhäusern liegt ein Basketballplatz und ein großer Spielplatz. Aber wer ins Haus will, muss durch eine Sicherheitsschleuse, das Gelände ist eingezäunt, der Spielplatz ist kein öffentlicher, Besucher sehen wir kaum. In der Umgebung gibt es Plattenbau und Einfamilienhäuser – und einen Sportverein, Blau-Weiß Hohenschönhausen. Die Geflüchteten dürfen das Gelände des Sportvereins zwar nutzen, gemischte Mannschaften oder ein gemeinsames Training mit den Vereinsmitgliedern kommt bislang aber nicht zustande, erzählt uns die Heimleitung.

Auch altersmäßig gibt es wenig Schnittmengen zwischen den Bewohner*innen und ihren Nachbar*innen. In der Umgebung der MUF leben vor allem ältere Menschen und die Bewohner*innen sind im Schnitt zwischen 20 und 35. Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement sind im Bezirk Lichtenberg sehr breit und vielfältig und werden auch stark durch die Gemeinwesenarbeit im Bezirksamt unterstützt. Es gibt in der Aktivierung und Nachbarschaft aber räumliche Unterschiede. Die Menschen hier in Hohenschönhausen-Nord sind allerdings auch mit ihren eigenen Nöten beschäftigt, es gibt viele Alleinerziehende, es fehlen Plätze zur Kinderbetreuung und die weiten Wege und die fehlende Kiezstruktur sowohl in den Plattenbau- als auch in den Einfamilienhaussiedlungen wirken sich auf den Alltag der Menschen aus.

Die MUF selbst ist gut ausgestattet, es gibt Kinder- und Hausaufgabenbetreuung, Sozialberatung und Deutschkurse direkt vor Ort, einen Frauenraum und einen Computerraum. Die Heimleitung versucht diese Angebote mit Unterstützung von BENN für die Nachbarschaft zu öffnen. Weil Integration oft am besten über die Kinder funktioniert, kooperiert der Träger des MUFs auch mit dem Familienzentrum Matenzeile oder der Sozialberatungsstelle SPIK e.V., BENN hat unter anderem den Nachbarschaftsgarten auf dem Gelände finanziell ermöglicht. Vor allem für die Männer brauche es noch deutlich mehr Angebote, so die Heimleitung, da sie oft mehr Unterstützung bei der Neuorientierung in der neuen Gesellschaft brauchen. Dabei könnte zum Beispiel auch noch mehr als bisher mit Migrantenselbstorganisationen zusammengearbeitet werden.

Auch wenn Integration hier in Hohenschönhausen-Nord kein Selbstläufer ist, was die Heimleitung und die wenigen Ehrenamtlichen hier anschieben, ist beachtlich, und wird hoffentlich beim gemeinsamen Gärtnern bald noch mehr Früchte tragen.

Die KULTschule: Ein Ort für Begegnung

In der ehemaligen Schule findet heute kein Schulunterricht mehr statt, hier sind insgesamt 14 Träger und Migrant*innenselbstorganisationen angesiedelt, die wertvolle Integrationsarbeit im Bezirk leisten. Drei davon habe ich getroffen, weil sie die größten Migrant*innengruppen im Bezirk vertreten: Lyra e.V., ein Verein von russischen Spätaussiedlern, die Vereinigung der Vietnames*innen in Berlin und eine noch junge syrische Gruppe, die noch nicht als Verein organisiert ist. Das Besondere bei der KULTschule, die aus dem Bezirksintegrationsfonds finanziert wird, ist aber, dass alle hier arbeitenden Organisationen auch wirklich eng zusammenarbeiten, zum Beispiel mit einem gemeinsamen Kulturprogramm zum Tag der Deutschen Einheit, und so Integration vorleben. Nach diesem Verständnis ist es nur konsequent, dass die, die bereits länger hier sind – wie etwa die Vietnames*innen und die Deutschen aus Russland -, die neu ankommenden Syrerinnen und Syrer tatkräftig unterstützen.

Unklar ist, wo die Träger und Vereine untergebracht werden, wenn 2020 die Schule auf Nebengrundstück fertiggebaut ist und das Gebäude der KULTschule wie geplant saniert werden soll. Wir verabreden, dass die KULTschule und die Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung darüber in Kontakt bleiben, da dringend eine Lösung für die Raumnot gefunden werden muss.

Bürger*innengespräch: Ein neuer MUF-Standort Rheinpfalzallee (Karlshorst) – Mitgestalten für bessere Infrastruktur

Abends diskutieren wir im Stadtteilzentrum iKARUS zusammen mit vielen Karlshorster Bürgerinnen und Bürgern über den geplanten MUF-Standort in der Rheinpfalzallee. Im März hat der rot-rot-grüne Senat 25 weitere Standorte für MUFs, verteilt über alle 12 Bezirke, beschlossen. Anders als noch 2016 sollen nun alle Bezirke gleichmäßig an der Unterbringung von Geflüchteten beteiligt werden. Das ist aus unserer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung. Die beiden geplanten neuen MUF-Standorte liegen im Lichtenberger Süden, in Karlshorst. Dort sind in den letzten Jahren vor allem Eigenheime entstanden, viele junge Familien sind zugezogen, aber die soziale Infrastruktur wurde vernachlässigt. Es fehlen Kitas, Schulplätze, Jugendclubs und auch Einrichtungen für Senior*innen. Wie diese Bedarfe unter einen Hut gebracht werden können – darüber haben wir engagiert diskutiert.

Hier ist niemand gegen die Unterbringung von Geflüchteten, aber die Bürger*innen wollen zunächst sicher sein, dass die soziale Infrastruktur bedarfsgerecht ausgebaut wird. Die drei Grundschulen in Karlshorst setzen bereits an 2 Tagen pro Woche den Nachmittagsunterricht aus, damit der Schulbetrieb überhaupt funktioniert, erzählt eine Besucherin. Deshalb will das Bezirksamt auf dem Standort Rheinpfalzallee jetzt eine Schule, Kita und Jugendclub bauen.

Allerdings gehört das Gelände an der Rheinpfalzallee bislang dem Bund. Der Boden ist zudem kontaminiert und muss vor einer Bebauung für viel Geld nutzbar gemacht werden. Derzeit verhandelt das Land Berlin mit dem Bund über den Kauf des Grundstücks. Erwirbt das Land das Grundstück, um darauf – neben Infrastruktur – Geflüchtete unterzubringen, würde das Land auch die Instandsetzung bezahlen.

Wir Grünen schlagen als Lösung vor, statt der bislang geplanten 2 Standorte mehrere kleinere Unterkünfte zu bauen. Das würde nicht nur Platz für die soziale Infrastruktur schaffen – kleinere Unterkünfte ermöglichen auch mehr Begegnung mit der Nachbarschaft und erleichtern die Integration. Daniela Ehlers schlägt die Zoptener Straße vor – ein Gelände, das schon vor Jahren für eine MUF vorgesehen war, auf dem aber bis heute nicht gebaut wurde. Weitere Standorte werden benannt. Außerdem wird vorgeschlagen, mit den Wohnungsbaugesellschaften bei Neubauprojekten Kontingente für Geflüchtete zu vereinbaren – und gleichzeitig statt MUFs sozialen Wohnungsbau zu realisieren.

Wir berichten vom Umgang anderer Bezirke mit der Thematik: Die Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg haben alternative Konzepte für die Unterbringung von Geflüchteten entwickelt, mit kleineren Standorten und gemischten Wohnkonzepten. Schließlich verabreden wir, zusammen mit den engagierten Bürger*innen einen Alternativvorschlag für den Bezirk Lichtenberg zu erarbeiten, der als Antrag in die BVV eingebracht wird.