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20. Februar 2014: Bettina Jarasch leitet grüne Religionskommission

Die grüne Kommission „Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat“ nimmt ihre Arbeit auf. Bettina Jarasch, Mitglied des Bundesvorstands, hat die federführende Leitung übernommen. Die überzeugte Katholikin spricht im Interview über die Aufgaben der Kommission, Reformbedarf in den Kirchen und Religionspolitik als urgrünes Thema.

gruene.de: Die Rückbesinnung auf die klassischen grünen Themen prägt seit der Bundestagswahl die Debatten in der Partei. Außerdem steht der Europawahlkampf vor der Tür. Warum jetzt eine Kommission zu Religion?

Bettina Jarasch: Es ist ein urgrünes Anliegen, verkrustete Strukturen aufzubrechen! Die Gesellschaft hat sich massiv verändert und es ist an der Zeit zu überprüfen, ob das geltende Religionsverfassungsrecht noch den angemessenen Rahmen dafür bietet. Wir sind ganz offensichtlich die einzige Partei, die willens ist, diesen Diskurs zu führen. Bei der Großen Koalition passiert nichts, man setzt auf Bestandswahrung. Bei der Frage nach Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im säkularen Staat geht es um das Zusammenleben in der Gesellschaft, um Vielfalt und Freiheit. Insofern ist es folgerichtig, dass wir Grünen dieses Thema angehen.

Von Freiheit ist bei den Grünen gerade auch viel zu hören…

Religionsfreiheit gehört zu den elementaren Menschen- und Freiheitsrechten – und zwar sowohl als Freiheit, sich zu einer Religion zu bekennen und sie auszuüben, als auch als Freiheit, sich dagegen zu entscheiden. Uns geht es um Religions- und Bekenntnisfreiheit in dieser ganzen Bandbreite. Menschen dürfen keine Nachteile davon haben, wenn sie sich zu einer Religion bekennen oder das eben gerade nicht tun. Gleichzeitig sind Religionsgemeinschaften wichtige zivilgesellschaftliche Akteure. Demokratie braucht engagierte Bürgerinnen und Bürger und auch Gruppen, die ihre Überzeugungen einbringen und Gesellschaft mit gestalten wollen.

Du bist praktizierende Katholikin, seit 2013 im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Auf der anderen Seite bist du grüne Landesvorsitzende und Mitglied im Bundesvorstand. Sind das nicht zu viele verschiedene Aktien, die du in dem Thema hast?

Ich habe nie ein Geheimnis aus meiner religiösen Überzeugung gemacht. Genauso wenig, wie ich ein Geheimnis daraus mache, dass ich sowohl in meiner eigenen Kirche als auch im Religionsverfassungsrecht Bedarf für Reformen und Veränderung sehe. Wir haben als Bundesvorstand die Kommission bewusst breit aufgestellt: Praktizierende und nicht praktizierende Christinnen und Christen, Muslime, Juden, säkular Orientierte, Atheistinnen und Atheisten. Doch uns alle eint, dass wir Überzeugungstäterinnen und Überzeugungstäter sind. Deshalb bin ich sehr gespannt auf die Debatten. Neutralität gibt’s bei dem Thema nicht. Umso wichtiger ist, dass man offen in die Gespräche mit anderen geht.

Worauf kommt es dir bei der Kommissionsarbeit besonders an?

Entscheidend wird aus meiner Sicht sein, dass wir uns darauf einigen, was die Rolle von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in einem säkularen Staat sein kann und welchen Rahmen sie dafür brauchen. Daran knüpfen sich dann viele einzelne Fragen.

Um welche religionspolitischen Fragen wird es gehen?

Klärungsbedarf gib es immer dann, wenn die individuelle oder die kollektive Religionsfreiheit mit anderen Grundrechten und Rechtsgütern in ein Spannungsfeld geraten, etwa beim kirchlichen Arbeitsrecht. Die Rechtsprechung und unsere Gesetze lassen in vielen Fällen Ausnahmen zu, um religiösen Überzeugungen Raum zu geben. Die Frage wird sein: Wie sind die Grenzen da jeweils zu ziehen? Diskussionsbedarf gibt es nach wie vor auch bei der Gleichbehandlung von Religionsgemeinschaften, insbesondere im Blick auf den Islam. Die Neutralität des Staates gebietet eine solche Gleichbehandlung, in der Praxis sind aber viele Fragen noch nicht gelöst.