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9. März 2017: Berliner Modell entwickeln!

Ein zukunftsweisendes Berliner Modell wäre ein Format, das den Dialog mit den vielen Menschen in Berlin sucht, die keiner Religion oder Weltanschauung angehören!

Kommentar zum Beitrag „Lehren statt bekehren!“ von Professor Schieder in Christundwelt.de für eine „Fakultät der Theologien“ an der Humboldt Universität Berlin.

Berlin ist nicht nur Weltstadt, sondern traditionell eine sehr weltliche Stadt: mehr als 60% der Berlinerinnen und Berliner sind nicht konfessionell gebunden, den beiden großen christlichen Kirchen gehört nicht einmal ein Drittel der Menschen dieser Stadt an, die übrigen verteilen sich auf 250 Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Ein „Berliner Modell“ für Theologie an der Hochschule sollte zum Ziel haben, sich mit dieser gesellschaftlichen Wirklichkeit auseinanderzusetzen. Dafür ist es nur ein erster Schritt, die wachsende religiöse und weltanschauliche Pluralität auch in Forschung und Lehre, im wissenschaftlichen Diskurs stärker abzubilden.

Deshalb hat Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag verankert, die Präsenz der Theologien, der weltanschauungs- und religionsbezogenen Studien an den Berliner Universitäten weiterzuentwickeln. Priorität hat das Institut für Islamische Theologie; es soll so rasch wie möglich eingerichtet werden.

Gründe dafür hat Professor Schieder in seinem Beitrag schon benannt: die Verpflichtung auf wissenschaftliche Methoden und eine kritische Hermeneutik sowie generell die Präsenz im öffentlichen Raum zivilisiert Religion und macht sie pluralitätsfähig. Auch für einen angemessenen bekenntnisorientierten Religionsunterricht braucht es die akademische Ausbildung des Lehrpersonals. Wenn also politisch zu Recht gefordert wird, dass Imame, die hier lehren und predigen, auch hier ausgebildet und nicht von der Türkei entsendet sein sollen, wenn zu Recht die akademische Ausbildung von muslimischen ReligionslehrerInnen gefordert wird, brauchen wir das Institut schnell. Die Pflege der religiösen Bedürfnisse muslimischer Bürgerinnen und Bürger dem türkischen Staat zu überlassen war ein Fehler der Gastarbeiterpolitik, den wir nicht verlängern sollten. Zumal es auch um arabische, asiatische, bosnische Muslime geht. Eckpunkte für ein solches Institut aus der letzten Legislatur liegen vor und können weiterentwickelt werden. Entscheidend ist, dass im geplanten Beirat die tatsächliche Breite des muslimischen Spektrums abgebildet wird.

Professor Schieder schlägt vor, das islamische Institut, aber auch ein künftiges Institut für katholische Theologie sowie eine angemessene jüdische Repräsentanz als eine gemeinsame „Fakultät der Theologien“ bei der protestantischen Fakultät der Humboldt-Universität anzusiedeln. Ein gemeinsames Dach ist sicher wünschenswert, aber es ist auch verständlich, dass andere Theologien nicht ohne weiteres bei den Protestanten als „Mutterinstitution“ unterschlüpfen wollen. Ein solches Dach wird nur funktionieren, wenn alle beteiligten Konfessionen sich mit der HU darauf verständigen und gemeinsam etwas Neues schaffen. Die räumliche Nähe und eine gegenseitige Anerkennung von Scheinen wären schon mal ein guter Anfang für mehr interreligiösen Austausch. Auch über eine akademische Ausbildung der Lehrkräfte, die derzeit weltanschaulichen Unterricht an Berliner Grundschulen anbieten, müssen wir reden.

Bei der Diskussion darüber sollte es aber nicht nur um die institutionelle Frage gehen. Worauf es in Zukunft vor allem ankommen wird, ist der Dialog mit den vielen Menschen in Berlin, die keiner Religion oder Weltanschauung angehören – und das aus einer eigenen Position, aus der kritisch-hermeneutischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Bekenntnis heraus! Dafür Formate zu entwickeln, dafür die gemeinsame Präsenz an einer Hochschule zu nutzen, das wäre ein zukunftsweisendes Berliner Modell.